Ein Jahr Tomb Raider Underworld - Zeit für die Lost Levels - Teil 1

Genau heute vor einem Jahr ist das bislang letzte Abenteuer mit Lara Croft unter dem Titel Tomb Raider: Underworld auf den europäischen Markt gekommen. Dieses Jubiläum haben wir uns zum Anlass genommen, um eine neue Rubrik auf tombraider-game.de ins Leben zu rufen: die Lost Levels. Worum es sich dabei handelt, erfährst du in folgendem Artikel.

Lara: "Zip, ruf Professor Eddington im Cavendish Labor an; arrangier ein Treffen."
Zip: "Ist gut. Was soll ich ihm sagen?"
Lara: "Sag ihm … Sag ihm, mein Vater hatte mit allem Recht, und dass wir vielleicht immer noch etwas tun können …"

Nach diesem alles andere als geschlossenem Ende von Tomb Raider: Legend (2006) folgte eine Wartepause von zweieinhalbjähriger Länge, bis man von Lara schließlich was neues zu hören bekam – und zwar ein schockiertes "Mein Gott!". Was mag da wohl vorgefallen sein?
Nein, Crystal Dynamics hat mit Professor Eddington nicht das angestellt, was seinerzeit Core Design dem armen Werner von Croy zu Beginn von Tomb Raider: The Angel Of Darkness (2003) angetan hatte [für Unwissende: es handelte sich um einen obskuren Ritualmord], und Peter Eddington hat sich auch keinen unverzeihlichen modischen Fehltritt geleistet, der bei Lara solch ein Entsetzen hätte auslösen können.
Nein, nein, nein. Anlass zur Bestürzung liefert am Anfang von Tomb Raider: Underworld (2008) die Zerstörung von Laras Familienanwesen.

Während Croft Manor also gemächlich nieder brennt, bleibt doch die Frage bestehen, was genau dieses Szenario mit dem ominösen Professor Eddington vom Ende des Vorgängerspiels zu tun hat. Doch – oh Wunder! – es besteht kein Zusammenhang; kaum manövriert man Lara ein paar Minuten durch ihren brennenden Wohnsitz, schon verrät einem eine Cutscene, dass man sich ein wenig in der Zukunft herumgetrieben hat – und mit einem lauten Knall geht es dann erstmal eine Woche zurück in die Vergangenheit.

Wer sich diesmal Hoffnungen gemacht hat, Professor Eddington kennen zu lernen, der wurde bedauerlicherweise schon wieder enttäuscht. Das Gespräch des Professors mit Lara fand bereits statt und nun steht die Archäologin irgendwo im Mittelmeer auf ihrem Privatbötchen und wartet nur darauf, vom Spieler auf Tauchstation geschickt zu werden …

Na gut, wir wollen uns mal nicht so anstellen: der Professor findet in der einleitenden Mittelmeer-Cutscene kurz Erwähnung, hat er Lara doch die Koordinaten verraten, an denen ihr auf spurlose Weise verschwundener Vater geglaubt hatte, Hinweise auf den Tod von Laras Mutter zu finden. Mit weiteren Informationen über Peter Eddington möchte man uns fortan im Spiel jedoch nicht mehr versorgen, was ziemlich schade ist, da er von Crystal Dynamics im Jahre 2006 (kurz vor dem Release von Legend, als die Design-Arbeiten für Underworld begannen) noch eine deutlich größere Rolle im Spiel innehatte.

Wir enthüllen in diesem Bericht mehr über die Cuts (=Kürzungen) durch die Entwickler, die bei Tomb Raider: Underworld vorgenommen wurden, und sind uns sicher, dass ihr dabei auf die eine oder andere Kuriosität stoßen werdet, die euch sicher noch nicht über Tomb Raider: Underworld bekannt war. Einige Bilder im Artikel könnt ihr durch anklicken auch vergrößern.

Machen wir also weiter mit dem Professor. Wer das offizielle (Lösungs-)Buch zu Tomb Raider: Underworld sein Eigen nennen kann, der wird sicherlich schon einiges über Peter Eddington in Erfahrung gebracht haben. Auf den Seiten 168 und 169 von besagter Publikation finden sich zum Beispiel diverse Zeichnungen, die das geplante Aussehen des Professors erkennen lassen. Darüber hinaus ist auch seine hier bislang noch unerwähnt gebliebene kleine Nichte Jessica abgebildet. Ein kurzer Text erklärt, dass Peter Jessica nach dem Tod ihrer Eltern zu sich genommen hat, um für sie zu sorgen.

Links seht ihr eine Konzeptzeichnung von Professor Peter Eddington, rechts Jessica.

Lost Levels - Tomb Raider Underworld - Peter Eddington und Jessica

Für Laras Abenteuer schon wesentlich relevanter war, dass Jessica ein Artefakt aus Peters Sammlung hätte entwenden sollen, welches Laras Vater kurz vor seinem Verschwinden dem Professor anvertraut hatte, damit dieser er es solange sicher verwahren könne, bis Lara sich schließlich eines Tages auf die Spuren von Avalon begeben und somit auf die Existenz des Artefakts stoßen würde. Der schlangenförmige Gegenstand mit der Bezeichnung Auge des Odin hätte folgerichtig ein weiteres Artefakt darstellen sollen, das für die Beschaffung von Thors Hammer Mjölnir und/oder die Öffnung des Zugangs nach Helheim von zentraler Bedeutung gewesen wäre.

Nach seiner unrechtmäßigen Entwendung durch Jessica hätte das Artefakt Besitz von dem Mädchen ergreifen sollen, woraufhin Lara nach einem Weg hätte suchen müssen, sie von dem Artefakt zu befreien, um es anschließend selbst verwenden zu können.

Das Szenario wurde laut Lösungsbuch wegen übermäßiger Komplexität gestrichen, bevor man daran gearbeitet hatte, die Ideen zu digitalisieren.

Um noch mal auf das Mittelmeer zurück zu kommen: Eine spanische Videospiel-Zeitschrift hatte Anfang 2008 eine Preview zu Tomb Raider: Underworld veröffentlicht, die für eine gehörige Portion Verwirrung sorgte. Die Redakteure hatten angegeben, dass Lara im Mittelmeer von Amanda und – man höre und staune – Rutland hätte verfolgt werden sollen. Nun war den Lesern des Artikels natürlich größtenteils bewusst, dass Rutland am Ende von Tomb Raider: Legend von Lara eigenhändig ins Jenseits geschickt wurde. Auf Nachfrage bestätigte Eidos daher der Community, dass da ein ganz überdeutliches Missverständnis vorliegen würde. Mehr wollte Eidos damals nicht zu dem Vorfall angeben, doch wir haben noch mal etwas nachgeforscht und konnten den Ursprung der Falschmeldung herausfinden.

Tatsächlich war von den Spaniern nicht James W. Rutland Junior gemeint, sondern sein Vater, der U.S. Senator James Rutland. Dieser findet bereits in Tomb Raider: Legend Erwähnung in den Charakterprofilen, außerdem wird er von Zip in der Cutscene nach dem ersten Bolivien-Level erwähnt. Crystal Dynamics hatte ursprünglich geplant, Senator Rutland als Verbündeten von Amanda (und Natla) auftreten zu lassen, damit er durch sie und ihre Fähigkeiten Rache an Lara für den Mord an seinem Sohn hätte nehmen können. Darüber hinaus war Senator Rutland der ursprüngliche Besitzer der beiden Schiffe, mit denen Amanda und Natla in Tomb Raider: Underworld Jagd auf Lara machen. Überreste dieser Idee sind immer noch in den Game-Files zu finden, beispielsweise werden die beiden Schiff-Level im Debug Menü (nur auf der PC-Version zugänglich) als "Rutland's Ship" angezeigt.

Eine Konzeptzeichnung von Senator Rutland könnt ihr hier sehen:

Lost Levels - Tomb Raider Underworld - Senator Rutland

Wir bleiben im Mittelmeer und nehmen uns noch mal der spanischen Preview an. Diese deklarierte seinerzeit die versunkene Mittelmeer-Ruine als 'Baldurs Grab'. Laut der nordischen Mythologie war Baldur einst der Gott der Reinheit und des Licht, und genau wie Thor war Baldur einer der Söhne Odins.

Hier seht ihr ein frühes Konzept für Baldurs Grab, welches ursprünglich einmal ein versunkenes Schloss sein sollte. Die Tentakeln des Riesenkraken sollten als unbestimmbare Fremdkörper in die Unterwasserhöhle integriert werden, erst beim Aufeinandertreffen mit dem Kraken hätten sie sich als dessen Fangarme erweisen sollen.

Lost Levels - Tomb Raider Underworld - Baldurs Grab

Dieselbe Höhle noch einmal in Farbe und aus einem anderen Winkel:

Lost Levels - Tomb Raider Underworld - Baldurs Grab

Wir verabschieden uns vom Mittelmeer, indem wir ein letztes entfallenes Szenario aufdecken, welches den finalen Abschnitt auf Amandas Schiff etwas hätte verlängern sollen. Nachdem man den Tauchsöldner wieder trifft, löst dieser ja an Bord des Schiffes eine Explosion aus. Lara schafft es, dieser zu entkommen und hinter ihr schließt sich eine Sicherheitstür, die das entfachte Feuer von den übrigen Teilen des Schiffes fern halten soll.

Nun muss man sich auf den Weg zu Amanda und Natla machen, indem man einem Gang folgt und an dessen Ende einfach nur links abbiegt, schon setzt eine Cutscene ein und man kommt mit Natla ins Gespräch.

Ursprünglich sollte jedoch die Tür, die zu dem Raum mit Natlas Gefängnis führt, verschlossen sein, und man hätte erst die rechte Abzweigung im Gang nehmen sollen.
Diese hätte einen in den Maschinenraum des Schiffes geführt, wo man ein Rätsel lösen sollte. Man musste eine Anzahl von Ventilen finden und betätigen, damit das Wasser nicht mehr abgepumpt wird, welches in das Schiff eindringt, da die vom Söldner heraufbeschworene Explosion diverse Lecks in die Ummantelung des Schiffes gesprengt hat. Dann erst hätte sich die Sicherheitstür zu dem anderen Raum geöffnet und man hätte zu Amanda und Natla gekonnt. Auch von dieser Idee gibt es ein Überbleibsel, nämlich wenn Amanda sich von Natla mit den Worten "Mist, wir laufen voll Wasser – wir reden später weiter" verabschiedet.

Im Folgenden seht ihr zwei Konzeptzeichnungen für den Maschinenraum:

Lost Levels - Tomb Raider Underworld - Maschinenraum

Lost Levels - Tomb Raider Underworld - Maschinenraum

Auf diesem Bild ist ein früher 3D-Entwurf des Raumes zu erkennen, ohne Texturen. Drei der zu betätigenden Ventile sind hier recht gut (da rot gefärbt) zu sehen.

Lost Levels - Tomb Raider Underworld - Maschinenraum

Nächsten Monat gibt es den zweiten Teil der Lost Levels, indem ihr mehr über die Kürzungen in den übrigen Level von Tomb Raider: Underworld erfährt.

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