Nachdem die Fachpresse Rise of the Tomb Raider bereits in diversen Tests beurteilt hat, kommt hier unser (Fan-)Test zu Lara Crofts neuestem Abenteuer. Getestet haben Wooxman (Xbox One) und Don Kan Onji (PC Steam).
Crystal Dynamics ist mit dem schlicht "Tomb Raider" genannten Reboot der Reihe im Jahr 2013 die Wiederbelebung eines fast totgeglaubten Franchises geglückt. Trotzdem haben sich viele langjährige Tomb Raider Fans von der Reihe abgewandt, da Feuergefechte mit Laras Widersachern in den Vorder- und die von Fans hoch geschätzten Rätsel in den Hintergrund gerückt wurden. Rise of the Tomb Raider ist aber anders. Und um das zu unterstreichen, schickt Crystal Dynamics den Spieler anfangs zum Bergsteigen mit Laras Kumpel Jonah, welcher aus dem Vorgänger bekannt ist, und direkt im Anschluss in ein rätsellastiges Grab in Syrien ohne jegliche Widersacher.
Die Kämpfe
Tatsächlich dauert es fast eine Stunde, bis Lara zum ersten Mal auf Söldner der mysteriösen Organisation Trinity stößt. Und selbst dann sind diese Begegnungen weitaus weniger actionreich als im Vorgänger. Jedenfalls, wenn sich der Spieler geschickt genug anstellt, denn Crystal Dynamics hat ordentlich an der KI im Spiel gearbeitet. Während die Solarii in Tomb Raider sofort wussten, wo Lara sich aufhält, sobald einer von ihnen per Kopfschuss ausgeschaltet wurde, suchen die Trinity-Söldner erst einmal gründlich die Umgebung ab und merken sich sogar, an welchen Stellen sich Lara am häufigsten versteckt. "Sucht die Büsche ab!" oder "Achtet auf die Bäume" ist des öfteren zu hören, wenn Lara nicht sofort entdeckt wird. Rise of the Tomb Raider bietet weitaus mehr Möglichkeiten, um sich zu verstecken: Hinter niedrigen Mauern, auf Bäumen, in Büschen (Assassin's Creed lässt grüßen), im Wasser und und und. Die Möglichkeiten, Laras Widersachern auszuweichen und sich vor ihnen zu verstecken sind mannigfaltig und machen das Gameplay wesentlich flexibler. Auch ist es nun möglich, kleine Gegenstände wie etwa Flaschen oder Dosen aufzuheben und zu werfen, um die Gegner abzulenken. Oder aber man bastelt aus ihnen Molotow Cocktails, Granaten oder andere tödliche Wurfgeschosse, um Munition zu sparen. Auch hat Lara nun die Fähigkeit, selbst Munition herzustellen, was aber einen etwas bitteren Nachgeschmack hinterlässt, da man dadurch noch weniger in Munitionsknappheit gerät als im Vorgänger. Dafür ist es jetzt auch möglich, viele Gebiete komplett ohne Kampf oder überhaupt ohne einen Gegner beseitigt zu haben, zu durchqueren, was vielen alten TR-Fans gefallen dürfte.
Die Rätsel
Und was ist mit den Rätseln? Die gibt es! Und zwar reichlich! Wie schon in Tomb Raider gibt es wieder zahlreiche optionale Gräber, welche erforscht werden können, um neue Fähigkeiten zu erlangen. Und die bieten die wahrscheinlich knackigsten Rätsel, welche Crystal Dynamics bisher in einen Tomb Raider Teil eingebaut hat. Aber auch auf dem Hauptweg steht Lara oft vor verschlossenen Toren und muss einen Weg finden, um diese zu öffnen. Ähnlich wie in den alten Tomb Raider Spielen müssen dazu erst einmal die gesamte Umgebung durchkämmt und mehrere kleine Rätsel gelöst werden. Das Ausmaß dieser Rätsel ist zum Teil gigantisch und die Lösung nicht immer offensichtlich. Unfair schwer wird es dabei aber nie. Zur Rätsellösung stehen Lara wieder ihre Kletteräxte (dieses Mal hat sie zwei davon im Gepäck) und der Bogen mitsamt Seilpfeil zur Verfügung. Zusätzlich kann sie später ein Seil an eine Kletteraxt binden, um sich damit à la Indiana Jones über Abgründe zu schwingen oder einen auf Batman zu machen und Wände hinauf zu klettern. Auch die Kletter- und Sprungabschnitte werden dadurch interessanter.
Die Grafik
Die Grafik von Rise of the Tomb Raider übertrifft alles, was es bisher auf der Xbox One zu sehen gab. Wie schon die Xbox One Version der Tomb Raider: Definitive Edition läuft Rise of the Tomb Raider in 1080p bzw. in Cutscenes in 900p und soliden 30FPS. Und es gibt unheimlich viele Details zu entdecken: Die Charaktere haben Gesichtsausdrücke, welche viel menschlicher aussehen als im Vorgänger, Laras Haare wehen dank PureHair (eine verbesserte Version des im Vorgänger eingesetzten TressFX) noch realistischer im Wind und Schnee fällt auf ihre Kleidung und bleibt dort hängen. Zudem hinterlässt Lara große Spuren, wenn sie sich durch hohen Schnee kämpft und ist klatschnass, wenn sie aus dem Wasser steigt. Pflanzen haben aus der Nähe leider unter starkem Aliasing (Treppchenbildung) zu leiden, aber das tut dem Gesamtbild keinen Abbruch. Auch der Art Style ist beeindruckend: Zwar spielt sich bis auf den Prolog in Syrien wieder das ganze Abenteuer an einem Ort ab, aber Crystal Dynamics hat es geschafft, trotzdem genug Abwechslung einzubringen. In den sibirischen Wäldern und Bergen ist die Kälte des Schnees richtig zu spüren, aber es gibt auch grüne Täler, überwucherte Tempel und zum Schluss einen großen Hub-Bereich, welcher von einem Gletscher überdacht ist. Zwar wirken einige Gegenden wie Yamatai 2.0, doch der Großteil des Spiels sieht einfach genial aus!
Der Sound
Während die Musik in Tomb Raider keinen bleibenden Eindruck hinterlassen hat, wirkt der orchestrale Soundtrack von Rise of the Tomb Raider stimmig und die Musikstücke bleiben einem auch nach dem Beenden des Spiels noch im Ohr. Alle Waffen, Gegner, Tiere und die Umgebung haben einen realistischen Sound, welcher nie deplaziert wirkt. Und die deutsche Synchro ist dieses Mal gut besetzt worden: Lara wird von Maria Koschny, der deutschen Stimme von Katniss aus The Hunger Games, gesprochen und auch die anderen Charaktere wurden gut besetzt.
Die anderen Neuerungen
Lara besitzt nun die Fähigkeit zu sprinten, was nicht nur dafür gut ist, die Hubs schneller zu durchqueren, sondern oftmals auch lebenswichtig, da sie schnell wütenden Bären oder hinter ihr einstürzenden Höhlen entkommen muss. Auch die Möglichkeit, zu schwimmen und ahnungslose Gegner ins Wasser zu ziehen, ist sehr willkommen, zumal Lara eigentlich schon seit Teil 1 der Reihe schwimmen konnte. Zudem trägt sie nun ein Messer bei sich, welches nicht nur im Kampf nützlich ist, um Gegner schneller heimlich auszuschalten, sondern auch dazu genutzt wird, um beispielsweise Seile zu durchtrennen. Während Lara in Tomb Raider nur Zugriff auf vier Waffen hatte, welche sie durch verschiedene Teile auf unerklärliche Weise in andere Waffen des selben Typs umbauen konnte, gibt es dieses Mal mehrere Pistolen, Schrotflinten, Gewehre und Bögen mit verschiedenen Werten, welche sich verbessern lassen, gleichzeitig. Zwar kann Lara wieder nur vier Waffen auf einmal bei sich tragen, aber an Lagerfeuern lassen sich diese tauschen, um ein Gewehr mit einer größeren Reichweise oder eine Schrotflinte mit mehr Feuerkraft auszurüsten und sich dadurch besser auf verschiedene Gegnertypen einstellen zu können. Auch verschiedene Outfits kann Lara tragen, welche zum Teil verschiedene Boni bringen. Diese können ebenfalls an Lagerfeuern gewechselt werden. Lagerfeuer sind übrigens dieses Mal bis auf wenige Ausnahmen nicht von Anfang an nutzbar, sondern Lara muss erst einmal Holz sammeln, um Feuer machen zu können. Neben Holz gibt es noch andere Rohstoffe, welche in der Spielwelt abgebaut werden müssen, um damit die Waffen aufzurüsten oder Munition herzustellen. Auch erlegte Tiere bescheren unterschiedliche Materialien wie Leder oder Geweihe, um die Ausrüstung zu verbessern. Das stellt den Überlebensaspekt weitaus mehr in den Vordergrund als das rudimentäre Rohstoffsystem des Vorgängers, welches nur aus Treibgut bestand.
Lara trifft auf ihrer Reise dieses Mal verschiedene Verbündete, welche ihr Aufgaben geben, nach deren Abschluss sie belohnt wird. Das unterscheidet sich nicht sehr stark von den Herausforderungen in Tomb Raider, macht aber weitaus mehr Sinn, als grundlos Steinhaufen zu zerstören oder Talismane abzuschießen.
Ebenfalls kann Lara Gold finden, welches sie bei einem Händler gegen Waffen, Upgrades, Outfits und so weiter eintauschen kann.
Am Ende gibt es wieder mehrere Bosskämpfe, welche über das Konzept "Schieß dem Gegner in den ungeschützten Rücken" hinaus gehen und ganz am Schluss muss Lara sogar ohne ihre Waffen kämpfen und improvisieren.
Die Story
Im Gegensatz zu Tomb Raider verstrickt sich die Story dieses Mal nicht in unnötig viele Nebencharaktere und Ungereimtheiten. Das Konzept ist einfach gehalten: Lara ist auf der Suche nach einem mächtigen Artefakt, welches Unsterblichkeit verleiht und muss dieses vor ihren Widersachern, der Trinity-Organisation, finden. Hier und da gibt es Rückblenden in Laras Kindheit und einige interessante Charaktere, welche für überraschende Wendungen sorgen, die Story bleibt aber einfach nachzuvollziehen. Und das ist auch gut so: Immerhin waren die Storys der älteren Tomb Raider Spiele bis auf einige Ausnahmen auch nicht komplizierter und ein Bioshock: Infinite oder Mass Effect würde vermutlich auch keiner von einem Spiel mit Lara Croft erwarten. Trotzdem ist es Crystal Dynamics gelungen, alles bis zum Ende spannend zu halten.
Das Negative
Leider gibt es trotz des vielen Lobs einige Dinge zu bemängeln. Da wären zum Beispiel die Unmengen an Sammelgegenständen. Wie schon in Tomb Raider sind viele davon nicht wirklich versteckt und lassen sich nach einigem Erkunden der Hubs ohne Komplikationen einsacken. Weniger wäre hier mehr gewesen, wobei daran auch die Größe einiger Hubs Schuld zu tragen scheint. Drei der Hubs sind so groß, dass man viele Orte gar nicht besucht, wenn man stramm dem Story-Pfad folgt und nur dann alles erkunden muss, wenn man 100% der bekommen will. Dadurch wirkt das ganze, als hätte Crystal Dynamics die Hubs nur deshalb größer gemacht, um noch mehr (mehr oder weniger) unbedeutende Sammelgegenstände unterzubringen.
Schade ist auch, dass man beim Tauchen nicht so eine Freiheit hat, wie in den alten Teilen. Lara kann weder hoch noch weiter runter tauchen und die Unterwasserhöhlen sind sehr klein und einfach gehalten.
Laras Sprungweite ist wie schon in den anderen TR-Spielen von Crystal Dynamics inkonsistent. Wenn eine Kante etwas weiter weg ist, springt sie automatisch weiter als sonst, was die Sprungeinlagen an einigen Stellen unnötig einfach macht. Und schon im Tutorial-Level erklärt ein Text, dass das Sprinten keinen Einfluss auf Laras Sprungweite hat. Wieso? Die Fähigkeit, die Sprungweite durch einen Sprint zu erweitern, gibt es in so vielen anderen Spielen, wieso dann nicht in Tomb Raider, einem Spiel, von welchem man anspruchsvolles Platforming erwartet?
Auch der Überlebensinstinkt stört oftmals, falls man ein herausforderndes Spielerlebnis sucht. Dieses Feature wurde noch weiter aufgebohrt und durch verschiedene Upgrades leuchten bestimmte Gegenstände automatisch auf, wenn Lara sich ihnen nähert, auch wenn nicht die Taste für den Überlebensinstinkt gedrückt wird. Zwar lässt sich das in den Optionen abschalten, aber dann wird es unnötig schwer, Wegpunkte zu finden und alle paar Sekunden wird ein Blick auf die Karte notwendig, um zu überprüfen, ob man noch auf dem richtigen Weg ist, da dann alle Hilfestellungen des Überlebensinstinktes abgeschaltet werden. Hier sollte Crystal Dynamics eine bessere Lösung finden, um die goldene Mitte zwischen anspruchsvoll und unnötig schwer zu finden.
Wie schlägt sich die PC-Version?
Ich hätte nicht gedacht, dass ich mit Rise of the Tomb Raider so viel Spaß haben werde. Aber zurück zum Anfang. Das Testsystem lautete in meinem Fall wie folgt:
- Intel Core i7 6700k
- 2x NVIDIA GeForce GTX 980 Phantom
- 32 GB RAM
Und damit sieht das schon richtig beeindruckend aus. Gespielt wurde auf 1080p. 4K war hier leider nicht möglich mangels vernünftigem Monitor. Aber selbst in diesen Einstellungen, wo alles auf dem Maximum steht, hat Eis noch nie so gut ausgesehen! Erst ein passender Patch machte den SLI Verbund meiner beiden Grafikkarten vernünftig nutzbar, sodass die 60fps Marke locker überschritten war.
Auch sonst glänzt die PC Version an allen Ecken und Enden nicht nur dank der Pure-Hair-Technologie, welche den Pferdeschwanz von Frau Croft immer fluffig aussehen lässt - auch nach einem Sprung ins kühle Nass. Beeindruckt haben mich die vielen Szenarien, als da wären ein Schiff im Eis, welches eines von neun Gräbern darstellt oder auch das Geothermale Tal, wo man einfach erstmal stehenbleibt und die Aussicht genießt. In Rise of the Tomb Raider gibt es zahlreiche solcher Orte, die mir den Mund geöffnet haben - trotz des leider immer noch sehr linearen Spielverlaufs, den Crystal Dynamics dieses Mal aber durch die offenen Orte wie bspw. das Sowjet-Lager kaschiert. Dort kann man sich dann nach Herzenslust austoben und auf die Suche nach Schätzen, Wandgemälden oder eben Gräbern gehen.
Bis zum Ende hin hatte ich meinen Spaß mit der PC Fassung. Nicht zuletzt deswegen, weil ich 2013 den Reboot auf der PlayStation 3 durchgespielt habe und mit der Steuerung nicht so klar kam. A propos Steuerung: Entgegen aller Tipps habe ich das Spiel mit Maus und Tastatur beendet - und keinerlei Probleme verspürt. Einige Tode musste Frau Croft dennoch leider miterleben, was aber Eigenverschulden war. Und welchen Riesenvorteil hat man mit so einer Art der Steuerung? Ganz richtig, man verteilt gezielt Kopfschüsse. Wobei ich den überwiegenden Teil des Spiels lautlos vorgegangen bin.
Beeindruckt haben mich auch an manchen Stellen die Schattenspiele, die man mit Frau Croft veranstalten konnte. Ob das in der Xbox One auch schon so gut aussah, vermag ich leider nicht zu sagen.
Wer gerne einen Blick in meine Galerie wirft, der findet noch haufenweise andere Screenshots, die mir so an dem Spiel gefallen haben. Aber Obacht - einige davon sind derbe Spoiler, gerade zum Ende hin! Wenn ihr das Spiel also noch nicht durchgespielt habt, so schaut die lieber erst nach dem Durchspielen an.
Fazit zur Xbox One-Fassung von Wooxman:
Crystal Dynamics hat es geschafft, einen der besten Tomb Raider Teile der Reihe zu erschaffen. Leider wird das Spielerlebnis durch einige Kleinigkeiten getrübt, aber das Gesamtpaket überzeugt auf ganzer Linie. Und auch Skeptiker, welche nach dem Vorgänger der Reihe den Rücken zugekehrt hatten, sollten Rise of the Tomb Raider eine Chance geben.
Das Spiel erhält 8/10 Punkten.
Fazit zur PC Steam-Fassung von Don Kan Onji:
Crystal Dynamics hat es tatsächlich hinbekommen, mir mit dem Nachfolger zum 2013er Reboot ein Lächeln auf das Gesicht zu zaubern. Fand ich den Vorgänger an vielen Stellen schlecht (besonders die Gräber) macht dieser Teil hier vieles richtig. Die Gräber gehören selbstverständlich dazu. Leider sind diese immer noch verhältnismäßig klein und schnell gelöst (hier geht sicherlich noch mehr), aber dennoch haben die mir Spaß bereitet und ja, auch so manches Kopfzerbrechen an diversen Stellen. Die Story gewinnt für mich zwar keinen großartigen Blumentopf, ist aber solide erzählt und in sich stimmig.
Da ein Nachfolger schon so gut wie sicher ist (zumindest was man da so am Ende zu Gesicht bekam), bleibe ich optimistisch, dass Crystal Dynamics es auch in den nächsten Jahren schafft, mein Lächeln zu erhalten und gegebenenfalls noch zu verstärken. In diesem Teil ist auf jeden Fall mehr Tomb Raider drin. Alles richtig gemacht!
Das Spiel erhält 8/10 Punkten.