Nachdem man jeden Zentimeter des Tomb Raider - Reboots bereits mehrfach abgeklappert hat, ist es immer interessant zu erfahren, wie anders das Spiel hätte werden können und welche Asse Crystal Dynamics für Lara Crofts neuestes Abenteuer noch so im Ärmel hatten. In der aktuellen Episode des Crystal Habit - Podcasts werden nicht nur diese Fragen aufgegriffen, sondern auch andere amüsante Anekdoten erzählt.
Der bisher neunzehnte (!) Podcast dürfte zugleich der längste und laut Meagan Marie (die den Podcast seit je her moderiert) auch der Beste unter den bisher erschienenen sein. Ein Glück - Gespräche über die hausinternen Kaffeemaschinen gehören der Vergangenheit an, dieser Podcast ist tatsächlich mal interessant.
Als Gäste sind dieses Mal Brian Horton (Senior Art Director), Kyle Peschel (Producer) und Noah Hughes (Creative Director) mit dabei und plaudern ca. eine Stunde und fünfzehn Minuten lang aus dem Nähkästchen.
Währen der Senior Art Director seinen wohlverdienten Urlaub noch vor sich hat, waren Hughes und Peschel bereits (wahrscheinlich getrennt voneinander) im Urlaub und konnten entspannt auf ein rundum gelungenes (und vor allem fertiges!) Spiel zurückblicken.
Während sich der Produzent dabei mit den physikalischen Gesetzen auseinandergesetzt und sich daran versucht hat, während des Campingausflugs bei strömendem Regen ein Feuer zu entfachen, hat es sich der Creative Director daheim gut gehen lassen und sämtliche Top-Titel der vergangenen Monate angespielt.
In der nachstehenden Zusammenfassung wird nicht nur das Ende des Spiels angesprochen, sondern es werden auch andere wichtige Schlüsselmomente der Story offengelegt. Es wäre also ratsam, die folgenden Zeilen erst nach dem Beenden der Story zu lesen - viel Spaß!
- Der "Bergdorf"-Hub stellt nicht nur einen der größten Hubs im Spiel dar, sondern war auch der erste, den das Crystal-Dynamics-Team für TOMB RAIDER erstellt hat.
- Die große Schlacht gegen die Oni-Krieger gegen Ende des Spiels war die erste größere Kampfszene, die das Team für den Reboot fertiggestellt hat. Eine sehr frühe Version dieser Schlacht wurde übrigens Meagan Marie anno 2010 in Videoform vorgespielt, als diese am Schreiben der TOMB RAIDER Cover-Story der GameInformer war und sich ein Bild von dem neuen Kampfsystem machen wollte. Die jetzige Community Managerin war außerdem die erste Person außerhalb des Entwicklerstudios, der die neue Lara Croft vorgestellt wurde.
- Als Meagan die Szene auf der Transportgondel das erste Mal vorgespielt wurde und sich der Nebel langsam lichtete und das in der Luft schwebende, riesige Walfangschiff offenbarte, kam dies für sie so unerwartet, dass sie total baff war und erstmal ungläubig auf den Bildschirm starrte. Sie beschreibt das Szenario so, als dass es auf eine verrückte Art und Weise durchaus Sinn ergab, der Anblick aber einfach nur verrückt war. Die Idee ein "schwebendes Schiff" ins Spiel zu integrieren kam von Brian Horton, die anderen hielten den Vorschlag für ziemlich verrückt. Auf internen Screenshots wurde auf das schwebene Schiff Tinker-Bell, mit einem fliegenden Peter-Pan darauf, der das Gesicht des Art Directors trug, montiert.
- Für einige Zitate im Spiel zeichnet sich übrigens nicht John Stafford, der später die Dialoge verfasste, verantwortlich, sondern Brad Santos, der Schreiber dieses frühen Entwicklungsstadiums.
- TOMB RAIDER sollte nie ein reines, riesiges Open-World Szenario bieten. Besonders als das Pferd mit eingebracht wurde, kamen zwar riesige, freie Areale ins Spiel und es wurde sich mit den Mechaniken eines Open-World-Spiels näher auseinandergesetzt, aber selbst zu "Ascension"-Zeiten ("Ascension" [zu Deutsch: "Aufstieg"] war der Arbeitstitel des Spiels) war das Konzept eines echten "Open World"-Titels nur bedingt vorhanden, da man Lara´s Reise- und Erforschungen in den Fokus der Erzählung setzen wollte und sich eine frei begehbare Welt nach Meinungen der Entwickler zu weit von dem Konzept abwandte.
- Das "Ascension"-Konzept wird aller Wahrscheinlichkeit weder als Spin-Off, noch als Add-On oder Ähnliches nachproduziert werden: "Konzepte dieser Art gibt es reichlich und dienen oftmals nur der Ideenfindung und sind Teil des Reifungsprozesses eines Spiels", so der Creative Director.
- In einigen früheren Konzepten wurde bei der Neugestaltung Lara´s auch mit kurzen Haaren herumexperimentiert um die Dinge herauszuflitern, die unabdingbar mit Lara Croft identizifiert werden und notwendig sind, um die gezeichnete Frau als Lara Croft zu erkennen. Die Idee, Lara einen Kurzhaarschnitt zu verpassen war für kurze Zeit deswegen reizvoll, da sie in Bezug auf Lara innovativ erschien und mit neuen Sachen herumexperimentierte. Letztendlich kam man aber zu der Entscheidung, dass mit der Figur Lara Croft auch gleichzeitig längere Haare verbunden sind und ging daraufhin wieder diesen Schritt zurück.
- Frühe Model und Konzeptzeichnungen von Lara sahen noch ziemlich nach der "alten Lara" aus, bis letztendlich immer wieder etwas abgeändert wurde und Lara mit der Zeit ein immer realistischeres Erscheinungsbild verliehen bekam. Die Ähnlichkeit zu Camilla Luddington ist im Nachhinein aber unbeabsichtigt - das "finale" Lara-Model stand bereits, als Camilla noch gar nicht für die Rolle gecastet wurde.
- Das Model wurde Tag für Tag geändert, bis das Team damit zufrieden war und die richtigen Proportionen für die neue Lara gefunden hatte.
- Der zusätzliche Storyzweig, der die Endurance-Crew auf die Suche nach der verlorenen Flotte des Kublai Khan schicken sollte, wurde zu Zeiten des Alpha-Stadiums gestrichen, als das Spiel und damit auch die Handlung in einer frühen Rohfassung fertig und spielbar waren. Dann sei nämlich aufgefallen, dass die Suche danach im Spiel eigentlich nie richtig zum Tragen kam und so wurde der Schwerpunkt auf die Suche nach dem verlorenen Königreich von Yamatai gelegt um sie bedeutender zu machen und der zweite Storyzweig wurde komplett entfernt.
- Dem Schwert des Generals, einem "Spiegel" und einem Edelstein sollten ursprünglich größere Bedeutung zugewiesen werden, sodass Lara im Verlauf des Spiels auf der Suche nach größeren Artefakten gewesen wäre, die einen größeren Schwerpunkt in der Story als nur reine "Sammelobjekte" gehabt hätten. Aber letzendlich sollte es in der finalen Erzählung um menschliche Beziehungen und Entscheidungen gehen, die Jagd nach einem mächtigen Artefakt hätte in dieser Geschichte keinen Platz gefunden, so die Entwickler. Gleichzeitig wird aber in Aussicht gestellt, dass man dennnoch nicht vorhabe, in zukünftigen Titeln auf die Suche nach einem mächtigen Artefakt zu verzichten.
- In einem früherem Entwicklungsstadium wurde als neues Gameplay-Element eine Hungeranzeige ins Spielgeschehen eingefügt, dass das Überlebens-Thema im Spiel unterstreichen und Lara dementsprechend auf die Suche nach Nahrungsquellen schicken sollte, damit sie nicht dem Hungertod zum Opfer fällt. Dieses Feature wurde gegen Ende aber aus zwei Gründen gestrichen: Erstens stellte es für die Entwickler eine schwierige Balance dar, dem Spieler einerseits diese riesigen Hubs bieten zu können, in denen man in aller Ruhe jede beliebige Ecke ohne Zeitdruck erkunden kann und gleichzeitig dem Spieler den ständigen Druck aufzuhalsen, dass er sich jederzeit mit was Essbarem eindecken muss. Außerdem sollte die klassische Helden-Reise so vermittelt werden, dass der Spieler wahrhaft großartige Dinge bewältigt, auf die man zurückblickend wahrlich stolz sein sollte. Und nachdem man dann all diese großartigen Dinge bewältigt und sich erfolgreich gegen Scharen von Feinden zur Wehr gesetzt hat, stellte der Hungertod etwas sehr unbefriedigendes dar, dass man zu Vermeiden vermochte.
- Im "Crossroads"-Trailer erkennt Lara in der Höhle der Plünderer mit einem ersetzten "Steph!" eine ehemalige Schiffskollegin der Endurance und Freundin von ihr wieder, die das jüngste Opfer der Plünderer und derer absurden Rituale darstellte. In der finalen Version des Spiels ist (die ehemalige) Steph jedoch namenslos und stellt einfach nur "eine Leiche" dar. Noah Hughes erläutert nun, dass der Spieler zu diesem frühen Zeitpunkt einfach noch nicht genug über Steph in Erfahrung bringen konnte, um Lara´s dramatische Reaktion darauf verstehen und mitfühlen zu können.
- Lara sollte auf der Insel nicht nur ausschließlich auf feindlich gesinnte Bewohner treffen, sondern auch auf freundliche Überlebende, mit denen Lara interagieren konnte. Diese wären unter anderem ein Jäger (auf den Lara kurz nach Roth´s Tod treffen sollte), ein Fischer und eine Art weiblicher Plünderer gewesen.
- Das Spiel sollte ursprünglich auf einer spielbaren Version der Endurance starten. Letztendlich stellte man sich bei Crystal Dynamics aber die Frage, ob man das Unglück tatsächlich spielbar machen und ein komplett neues Model dafür bauen musste - was schließlich auch wieder Ressourcen gekostet hätte. Zur selben Zeit haben Visual Works schon am "Turning Point"-Trailer gearbeitet, der eben diesen Crash in beeindruckender Render-Grafik zeigte - warum also diese Stelle "zweimal" ins Spiel bringen? Es war am Ende Daniel Neuberger, der die harte Entscheidung getroffen und entschieden hatte, dass dies den Aufwand nicht wert sei und kein Muss für die Spielerfahrung wäre.
- Außerdem war ein weiterer Anfang namens "Chaos Beach" geplant. Dieser sollte ab dem Zeitpunkt, wo Lara auf das Eiland gespült wird, bis zu dem K.O.-Schlag durch einen der Plünderer spielen. Dort hätte man sich dann nach dem Unglück noch eine Zeit lang rumtreiben können.
- Während dem "Zugang zur Basis", wo Lara von leichtem Schneefall überrascht wird, sollte sie ursprünglich eine warme Jacke tragen. Es fehlte aber die Zeit, diese Jacke zu modelieren und einen sinnvollen Grund und Ort zu erfinden, wo Lara dieses Kleidungsstück hätte finden können, so Brian Horton.
- Crystal Dynamics sind selber nicht "scharf darauf", Quick-Time-Events in ein Spiel einzubringen. In TOMB RAIDER sollten auf diese Weise intensivere und intimere Momente erschaffen werden, die mit der normalen Steuerung nicht so ergreifend rübergekommen wären - ein gutes Beispiel dafür stellt Lara´s ersten menschlichen Mord dar. Noah Hughes führt weiter aus, dass die QTE´s im Reboot teilweise der Inszenierung gut tun, teilweise aber einfach zuviel dem Spieler vorwegnehmen, wie der Creative Director ehrlich zugibt.
- Das Übernatürliche sollte ursprünglich wesentlich früher seinen Einzug in die Story des Spiels finden. Dort war geplant, dass die mysteriösen Oni-Krieger Lara bereits zu einem früheren Zeitpunkt auflauern und wesentlich aggressiver vorgehen. Zu Zeiten des "Ascension"-Konzepts hatten es die Entwickler sogar vor, Lara ausschließlich auf die mythologischen Wesen treffen zu lassen - menschliche Widersacher suchte man auf der Insel vergebens. Letztendlich gehörte es aber mit zu Lara´s Charakterentwicklung, sie von der ungläubigen, naiven Person zu einer weitaus offeneren Person heranwachsen zu lassen, die es stellenweise sogar mal mit Kreaturen zutun bekommt, die nicht unbedingt von dieser Welt stammen. Außerdem gab diese Zurückhaltung der Überlebens-Geschichte mehr Platz sich zu entfalten, bevor Lara diese "größere Stufe" in Anspruch nimmt.
- Die Tode von Grim, Roth und Alex sollten die Gefahren der Insel verdeutlichen und welchen ständigen Bedrohungen die Endurance-Crew ausgesetzt ist. Im Falle von Roth war es aber auch so, dass Lara nach dem Tod ihres Mentors endgültig auf eigenen Beinen stehen muss und so noch selbstständiger wurde.
- Alex sollte die Explosion auf der Endurance ursprünglich überleben und irgendwann im weiteren Verlauf der Story wieder zurückkehren. Das wurde im Nachhinein aber bekanntlich abgeändert, Noah Hughes erklärt den Grund hierfür: "Es hat sich irgendwie nach Schummeln angefühlt: Wir vermitteln dem Spieler den Tod eines Charakters und dann kommt er einfach so wieder zurück. Es hat sich fast so angefühlt, als ob wir den Spieler die ganze Zeit an der Nase herumgeführt hätten."
- Der Tomb Raider - Reboot sollte ursprünglich ein alternatives Ende bieten, währenddem es Lara nicht geschafft hätte, Sam von dem Ritual zu befreien, sodass Lara anstatt der lebendigen Sam ihren toten Körper zurück zum Boot gebracht hätte. Dieser Schnitt wurde getätigt, da die Entwickler befürchteten, dem Spieler so nicht einmal die Chance zu lassen, selbstständig zwischen Erfolg und Misserfolg zu entscheiden und stattdessen zwingend einen Rückschlag vorgesetzt kriegen. Es sei einfach schöner gewesen, dem Spieler diesen "Siegesmoment" bieten zu können.
- Witzige Sache: Die Masken, die Lara auf der Insel verteilt als Reliquien einsammelt, hatten bis vier Tage vor dem Auslieferungsdatum keine Aussparungen für die Augen, wodurch es demjenigen, der die Maske mal hätte tragen müssen, sicherlich schwer gefalllen wäre, etwas durch diese zu sehen.
- Dass Sam mit Nachnamen ebenfalls "Nishimura" heißt, stellt ausschließlich einen Easter-Egg auf den Nishimura in Tomb Raider: Legend dar, der bekanntlich denselben Nachnamen trug - ein etwaiger Verwandtheitsgrad ist also auszuschließen.
- Die Kette, die Lara seit Anbeginn des Spiels trägt, sollte ihr ursprünglich an einem Punkt in der Story von Sam überreicht werden, die diese Kette vor Lara ihr Eigen nannte.
- Für den Nachfolger wolle man auch "Survival" als Thema mit einbringen, auch Lara´s neue Waffen, Pfeil und Bogen, werden wahrscheinlich ihren Weg in Tomb Raider 10 finden. Lara ist zwar mit dem Ende des Spiels wesentlich selbstbewusster, kampferprobter und tougher als ihr unerfahrenes, früheres Selbst geworden, aber als eine richtige Grabräuberin sehen die Entwickler Lara noch nicht, sodass eine gewisse Charakterentwicklung da auch im nächsten Teil stattfinden wird - schließlich habe sie in TOMB RAIDER erst an der Oberfläche dessen gekratzt, was man im Nachfolger größer auslegen will.
Noah Hughes bestätigte außerdem, dass man im Tomb Raider - Reboot Hinweise auf den Nachfolger hinterlassen habe, an dem bereits bei Crystal Dynamics fleißig gearbeitet wird. Diese Hinweise werden von uns in einem weiteren Artikel in der näheren Zukunft behandelt, alternativ könnt ihr Euch natürlich in der Zwischenzeit auch selbstständig auf die Suche begeben und schauen, ob ihr was spannendes finden könnt.
TOMB RAIDER, entwickelt von Crystal Dynamics, stellt einen kompletten Reboot der Tomb Raider-Serie dar, indem der Spieler die Ursprünge Lara Crofts kennenlernt und erfährt, warum Lara so ist, wie wir sie heute kennen. Erstmals bietet TOMB RAIDER neben der Singleplayererfahrung auch einen Multiplayer-Modus, welcher von Eidos Montral entwickelt wurde. Das Spiel ist am 05. März 2013 unter Publisher Square Enix Europe veröffentlicht worden.
Erhältlich ist TOMB RAIDER bei Amazon.de als Standard Edition, Survival Edition oder als Collector's Edition für PlayStation 3, Xbox 360 & PC. Digitale Versionen des Spiels via Download findet ihr im Origin-Shop und bei Steam.